Mit Blick auf den Ginkobaum

Die Schwingtür mit den beiden Glasfenstern erinnert noch an die ehemalige Gaststätte. Aus der Weseler Traditionskneipe Kamp ist ein modernes Bestattungshaus geworden. Am Sonntag laden Margit Keunecke und ihr Sohn Michael zur offiziellen Einweihung ein. „Wir stehen fast vor der Vollendung, die letzten Teile werden gebracht”, sagt Margit Keunecke, als sie der NRZ die Tür öffnet. Der Eingang befindet sich an der Trappstraße, dennoch lautet die postalische Anschrift Caspar-Baur-Straße.
Der Flur führt zum ehemaligen Saal der Gaststätte Kamp. Jahrzehnte war sie ein beliebter Treff für die Weseler. Den Altbau haben die Keuneckes erhalten und durch einen kleinen Anbau erweitert. Die beiden farbigen Scheiben in der Tür und in den Fenstern zur Straße hin auch. „Die Tür kennen noch viele Weseler.”

Eine kleine Theke, Tische, schwarze Stühle – hier bietet sich Platz für den Beerdigungskaffee. Vorerst wird die Kaffeemaschine nur nach Beerdigungen angestellt. Ab Ende April oder Anfang Mai sollen die Türen täglich offen stehen, dann kann im Café „Himmel und Erde” gefrühstückt werden. Ob es auch eine Abendgastronomie geben wird, steht noch in den Sternen.

Der Gedanke, dem Bestattungsunternehmen ein anderes Domizil zu geben, bestand schon lange. An der Monschauer Straße war das Wohnzimmer zum Büro umfunktioniert worden. Kamen Angehörige von Verstorbenen zu einem Gespräch, musste die Arbeit eingestellt werden, erinnert sich Margit Keunecke. Vor vier Jahren, als die Gaststätte Kamp schon geschlossen war, an den heruntergelassenen Rollläden darauf hingewiesen wurde, dass das Gebäude provisionsfrei zu verkaufen sei, kam Margit Keunecke vorbei. Und schon war die Idee geboren. Das passte zu ihren Plänen, ein Bestattungshaus zu schaffen.

„Ich habe sofort einen Termin mit einem Architekten gemacht”, erzählt sie. Doch es dauerte noch bis April 2008; erst dann konnte mit den Arbeiten begonnen werden. Mit dem Kauf klappte es nicht, das Objekt sollte versteigert werden. Familie Keunecke war stets dabei, doch den Zuschlag bekam sie erst beim dritten Termin. Was aus heutiger Sicht kein Nachteil war, so Margit Keunecke. Denn kurz vor dem dritten Versteigerungstermin hatte sie die Idee, den Altbau der Gaststätte stehen zu lassen. Vorher, sagt sie, wäre alles abgerissen worden. Man habe das ideale Gelände gefunden, um die Idee vom Bestattungshaus umzusetzen. „Wir sind da, wo die Menschen sind. Der Tod gehört nicht an den Stadtrand oder in einen dunklen Keller”, betont Margit Keunecke.

An den Altbau schließt sich das Büro an. Ein weiterer Flur führt in die Trauerhalle, Fenster unter der Dachkonstruktions spenden viel Licht, ein altes Kirchenfenster schmückt die Wand. Der Blick fällt auf ein ummauertes Beet. Neben Blumen gibt es einen Ginkobaum: Das ist der einzige Baum, der in Hiroshima den Abwurf der Atombombe überlebt hat, er gilt als Freundschaftsbaum, und Ginko wird als Heilmittel verwendet. Zwei Abschiedsräume mit separaten Eingängen stehen zur Verfügung. Falls Angehörige es wünschen, erhalten sie einen Schlüssel und können so jederzeit hinein. Was bisher vermisst wurde, im eigenen Haus an der Monschauer Straße nicht möglich war, ist nun vorhanden: ein Besprechungszimmer, in dem kein Telefon klingelt. Hier will Margit Keunecke eine Bibliothek mit rund 200 Büchern über Tod und Sterben einrichten.

Das Haus der Familie Keunecke, die rund eine Million Euro investiert hat, ist auch eine Reaktion auf den Wandel in der Sterbekultur. Vor 15 Jahren haben die ersten Bestatter solche Häuser gebaut.

Quelle: WAZ, Michael Turek, 25.3.2009
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-wesel-hamminkeln-und-schermbeck/mit-blick-auf-den-ginkobaum-id550538.html#plx885058561

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert