Der Weg zum Herzstück des Trauerhauses führt über eine Brücke. Vom kleinen, sonnendurchfluteten Innenhof geht’s über sanft plätscherndes Wasser durch eine Glasfront hinein in den großen Abschiedsraum.
In der einen Ecke steht ein rotes Sofa, in der anderen die mit einem schwarzen Tuch bedeckte Bahre.
„Das Wasser symbolisiert das Leben genauso wie den Tod“, sagt Margit Keunecke. Und um diese Verbindung zwischen Leben und Tod geht es im Trauerhaus, das Margit Keunecke und ihr Sohn Michael seit anderthalb Jahren führen. Ihre Philosophie: Der Tod ist Teil des Lebens und gehört nicht an den Rand der Gesellschaft. Sondern in ihr Zentrum.
Wie sich diese Philosophie im Baustil des Trauerhauses wiederspiegelt – davon können sich die Besucher beim Tag der Architektur ein Bild machen. Überall in Deutschland und am Niederrhein präsentieren am letzten Wochenende im Juni Bauherren und Architekten zeitgenössischen Objekte: Gärten, Geschäfts-, Gottes- und Wohnhäuser. Oder eben ein Trauerhaus.
Im Januar 2007 haben die Keuneckes die Traditionsgaststätte Kamp in Wesel ersteigert und vor dem Abriss bewahrt. Ein Jahr später begannen die Renovierungsarbeiten in der Kneipe und der Neubau des Hintertrakts. Anfang 2009 feierten sie die Eröffnung, des Trauerhauses, „das in diesem Stil einzigartig ist“, wie Michael Keunecke sagt.
Trauerhäuser gibt es seit etwa 15 Jahren. Als Gegenpol zu sterilen Friedhofshallen wollen sie Angehörigen einen würdigen Rahmen für den Abschied von ihren Verstorbenen bieten. „Bei uns passiert das in drei Schritten: Trauern, Abschiednehmen und Feiern, um ins Leben zurück zu kehren“, erklärt Margit Keunecke.
Jedem dieser Schritte ist ein eigener Raum vorbehalten. Zuerst führen die Bauherrn und Architekt Fred-Jürgen Störmer die kleine Besuchergruppe also in den Abschiedsraum. „Man merkt, dass sich die Leute hier viel mehr Zeit als in einer Leichenhalle nehmen“, berichtet Margit Keunecke. Und erzählt von Angehörigen und Freunden, die Stunden hier verbracht haben – mit Essen, Rotwein und Gitarre.
Früher war es normal, dass die Toten bis zur Beerdigung zu Hause aufgebahrt wurden, damit die Familien Zeit mit dem Verstorbenen verbringen konnten. „Das wollen wir wieder möglich machen, indem wir den Tod ins Leben zurück holen“, sagt die Hausherrin.
Himmel und Erde
Weiter geht es in den Trauerraum. Von außen ist er nicht einsehbar: „Die einzige Verbindung zur Außenwelt ist der Lichthof“, erklärt Störmer. „Wie im ganzen Gebäude spielt die Einstrahlung des Lichts hier eine große Rolle.“
Ein Flur führt in den ehemaligen Kneipenraum. Heute heißt die Gaststätte Himmel und Erde. Vom alten Inventar sind nur die bunten Fenster und der Holzboden übrig geblieben. Ansonsten ist alles in Schwarz und Weiß gehalten: modern, aber keineswegs kalt.
Normalen Kneipenbetrieb gibt es zwar nicht. Aber neben den vielen Trauergemeinden, die zum Kaffee und Kuchen kommen, nutzen auch Hochzeits- und Taufgesellschaften die Räumlichkeiten. Scheinbare Gegensätze – zwischen, denen die Architektur eine Brücke geschlagen hat.
Quelle: WAZ. Matthias Wenten, 27.6.2010
http://www.derwesten.de/region/niederrhein/raum-fuer-den-abschied-id3351379.html#plx1281490694